Kulturtagebuch für Jugendliche in der Schriftsprachförderung

FörderinstrumentSekundarstufe
Hinweis:
Die Beschreibungen, die Sie hier finden, dokumentieren Materialien, die in der BISS-Laufzeit von 2013 bis 2019 in der Regel aus der Praxis heraus von Verbundteilnehmerinnen und -teilnehmern zur Erreichung ihrer Förderziele entwickelt bzw. weiterentwickelt wurden. Eine wissenschaftliche Prüfung dieser Materialien ist aufgrund des oft kleinen Einsatzgebiets oder einer bislang nicht abgeschlossenen Weiterentwicklung vom Trägerkonsortium nicht durchgeführt worden.

Kurzbeschreibung

Kosten: abhängig von den Erkundungsorten.

Beim Tool Kulturtagebuch für Jugendliche in der Schriftsprachförderung handelt es sich um ein Förderinstrument, das in der Sekundarstufe I eingesetzt werden kann. Es dient dem Aufbau von Lese- und Schreibmotivation und dem Abbau von Vermeidungstendenzen im Umgang mit der Schriftsprache. Das Tool bietet viele unterschiedliche Anregungen zum Lesen und Schreiben. Dabei können die Schülerinnen und Schüler eigene Interessen und Ideen einbringen und erkennen so unmittelbar ein für sie bedeutsames Ergebnis ihrer Anstrengungsbereitschaft beim Lesen und Schreiben. Das Tool wurde für Schülerinnen und Schüler mit besonderen Schwierigkeiten im Schriftspracherwerb entwickelt und wird im Projektunterricht durchgeführt.

Welches Ziel hat das Tool?

Das Tool Kulturtagebuch für Jugendliche in der Schriftsprachförderung ist ein Fördertool, das sich an Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe I richtet. Das Tool soll die Lese- und Schreibmotivation sowie -kompetenz verbessern und zudem den Ausbau der Fähigkeiten beim Argumentieren und Präsentieren unterstützen. Es eignet sich für den Einsatz in den Modulen S2 „Lese- und Schreibstrategien im Verbund vermitteln“ und S3 „Selbstreguliertes Lesen und Schreiben“.

Für welches Vorhaben kann das Tool eingesetzt werden?

Das Tool Kulturtagebuch für Jugendliche in der Schriftsprachförderung kann in der Sekundarstufe I im Projektunterricht zur Förderung von Lese- und Schreibmotivation und -kompetenz eingesetzt werden. Die Schülerinnen und Schüler sollen mit Hilfe des Tools ihre Lese- und Schreibmotivation erhöhen und Vermeidungstendenzen abbauen. Dies geschieht, indem verschiedene Aktivitäten gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern unter Einbeziehung ihrer Interessen durchgeführt werden. Verschiedene Medien (z.B. Computer, Zeitschriften) können einbezogen werden, um die Motivation der Lernenden zu steigern. Zudem sollen Lese- und Schreibkompetenzen, darunter zum Beispiel das Leseverständnis, die Lesegeschwindigkeit oder die Rechtschreibung, gefördert werden. Zur Steigerung der Lese- und Schreibkompetenz können dabei unterschiedliche Ziele im Mittelpunkt stehen, die von der Lehrkraft selbst bestimmt werden. Die Lehrkraft kann mit den einzelnen Schülerinnen und Schülern Lernziele für die Projektarbeit vereinbaren und in Lernfortschrittsgesprächen reflektieren. Die Kinder und Jugendlichen sollen dabei ein Angebot mit einem unmittelbaren Bezug zu ihrer Lebenswelt bekommen, da Lesen und Schreiben die Teilnahme an bestimmten Freizeitaktivitäten erst möglich macht. Die Kleingruppe in der Projektarbeit bietet einen sozialen Rahmen, in dem die Schülerinnen und Schüler Vertrauen (auch in eigene Fähigkeiten) gewinnen sollen. Das Tool ist im Projektunterricht mit Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten im Schriftspracherwerb, mit geringer Lese- und Schreibmotivation und ungünstigem (schulischen) Selbstkonzept entwickelt worden. Es kann aber prinzipiell auch im Regelunterricht mit allen Schülerinnen und Schülern eingesetzt werden.

Wie funktioniert das Tool?

Das Tool Kulturtagebuch für Jugendliche in der Schriftsprachförderung kann mit der gesamten Klasse oder in Kleingruppen im Rahmen eines Projektunterrichts durchgeführt werden und lässt sich in drei Phasen aufteilen: „Ich-Du-Wir“, „Kulturtagebuch“ sowie „Aktivität“.

In der ersten Phase des Projekts („Ich-Du-Wir“) werden im Unterricht zunächst Stärken der einzelnen Schülerinnen und Schüler gesammelt („Ich bin ein Checker im…“). Falls sich die Schülerinnen und Schüler in einer neuen Gruppe zusammengefunden haben und sich noch nicht kennen, werden als Kennenlernübung zunächst Partnerinterviews durchgeführt und die Ergebnisse präsentiert. Daneben werden mit der gesamten Gruppe gemeinsame Regeln des Umgangs miteinander erarbeitet (z.B. Gesprächsregeln).

In der zweiten Phase („Kulturtagebuch“) steht das eigentliche Kulturtagebuch im Mittelpunkt. Die Lehrkraft stellt das Projekt zunächst vor, anschließend recherchieren die Schülerinnen und Schüler zu möglichen Kulturaktivitäten. Zur Vorbereitung der Erkundung werden verschiedene Aufgaben zwischen den Jugendlichen aufgeteilt: Anschreiben an Veranstalter, Verfassen eines Elternbriefs, Erstellen einer Wegschreibung, Recherche einer Bahnverbindung, Bildung von Kleingruppen, Festlegen von Vereinbarungen zum Verhalten. Zur Steigerung der Schreibkompetenz sollen den Schülerinnen und Schülern dabei verschiedene Strukturierungshilfen zur Recherche gegeben werden. Gemeinsam sollen verschiedene Erkundungs- oder Interviewfragen erarbeitet und aufgeschrieben werden.

In einer dritten Phase („Aktivität“) wird das zuvor geplante Projekt durchgeführt. Dabei kann eine Vernetzung von Projektarbeit der Teilgruppe einer Klasse, die am Projekt Text-Checker beteiligt ist, mit Aktivitäten und Projekten der gesamten Klasse im Regelunterricht stattfinden. Während der Erkundung wird das Erlebte auch dokumentiert und in einer Nachbereitung in einem Bericht für das Kulturtagebuch zusammengefasst. Konkret kann hier beispielsweise ein Bericht mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Strukturierungshilfen für das eigene Tagebuch verfasst werden. Darüber hinaus ist das Erstellen von Plakaten oder das Schreiben von Dankesbriefen an die Veranstalterinnen und Veranstalter denkbar. Auch Berichte für die Schulhomepage können verfasst werden.

Empfehlenswert ist den Autorinnen zufolge folgender Ablauf: Vorbereitung (90 Min.), Durchführung (viele Aktivitäten sind in 90 bis 120 Min. durchführbar), Nachbereitung (90 Min.).

Insgesamt sind Dauer und Häufigkeit der Durchführung abhängig vom Projektumfang. Die Exkursionen sind, abhängig von den gewählten Orten, zweistündig, halbtägig, ganztägig oder mehrtägig. Zur Vor- und Nachbereitung empfehlen die Autorinnen eine regelmäßige Kontrolle der Schülertexte zur Erarbeitung von Hilfen zur Verbesserung.

Folgende Aktivitäten in der Stadt Bielefeld werden von den Autorinnen als Beispiele und Anregung für eigene Projekte gegeben:

  • RAP-Projekt
  • Foto-Projekt (Lieblingsorte in Bielefeld)
  • Tierpark-Rallye
  • Sparrenburg: Führung und Turmbesteigung
  • Nosferatu (Stummfilm mit Musik in der Oetker-Halle)
  • Kinobesuch (Nachts im Museum 3)
  • Theater-Projekt (Typisch Mädchen – typisch Junge)
  • Energie sparen, Ausstellung mit Quiz und Experimenten
  • Bhutan-Ausstellung im Naturkundemuseum
  • Literaturworkshops in Zusammenarbeit mit der Stadtbibliothek (12 things, Tschick)
  • Workshops in der Kunsthalle
  • Besuch von Schulkonzerten
  • Musiktheater-Projekt in Zusammenarbeit mit dem Theater Bielefeld
  • Besuch der Generalprobe „Plätze .Dächer. Leute.-Wege“ im Theater am Alten Markt
  • Besuch der Oper „Xerxes“ im Stadttheater mit vorbereitendem Workshop
  • Zeitschriften -Projekt

Was wird benötigt, um das Tool umzusetzen?

Material: Zur Durchführung des Tools wird ein Internetzugang für die Recherche, ein oder mehrere Fotoapparate sowie ein Kulturtagebuch für jeden Schüler bzw. jede Schülerin benötigt. Es gibt zudem eine Liste mit Beispielen für mögliche Kulturaktivitäten, die als Anregung genutzt werden kann.

Personelle Ressourcen: Die Arbeit im Team wird von den Autorinnen empfohlen. Daneben wird darauf hingewiesen, dass Bindungsfähigkeit und eine fehlerfreundliche und ressourcenorientierte Haltung der Lehrkräfte eine wünschenswerte Voraussetzung für die erfolgreiche Projektarbeit sind.

Schulung: Das Tool kann von Lehrkräften ohne spezielle Fortbildung durchgeführt werden. Die Autorinnen weisen darauf hin, dass ein kollegialer Austausch zu Erfahrungen mit dem Tool gewinnbringend für die Arbeit sein kann.

Kosten: Die Kosten sind abhängig von den Orten, die von der Klasse besucht werden.

Zugänglichkeit: Alle Materialien, die für die Durchführung des Tools benötigt werden, können selbst besorgt werden (s. Material). Bei Fragen können die Autorinnen des Tools, Frau Melinda Marton-Rast und Frau Tanja Masur von der Friedrich Wilhelm Murnau-Gesamtschule in Bielefeld, gern kontaktiert werden.

Wie ist das Tool a) theoretisch b) empirisch fundiert?

a) theoretische Fundierung

Das Tool Kulturtagebuch für Jugendliche in der Schriftsprachförderung wurde im Rahmen des Bielefelder Projektes „Text-Checker“ an der Friedrich Wilhelm Murnau-Gesamtschule von der Lehrerin Melinda Marton-Rast und der pädagogischen Fachkraft Tanja Masur im Schuljahr 2014/2015 konzipiert. Die Einschätzung der Lehrkräfte und die Ergebnisse aus dem Vorjahr wurden bei der Bildung der Projektgruppe und der Planung der Projektarbeit berücksichtigt.

Das pädagogische Konzept des Projektes „Text-Checker“, in dessen Praxis das Tool entwickelt wurde, orientiert sich an Ergebnissen von Forschungen über Motivation beim Schriftspracherwerb von Kindern und Jugendlichen unter erschwerten Bedingungen (vor allem Forschung von Kretschmann, 2002 und 2007 und Nickel, 2004). Die Ergebnisse der Forschungen und die Ableitung für die schulische Praxis fasst folgendes von den Autorinnen des Tools empfohlene Zitat zusammen: „Wenn zutrifft, was als Ursache für funktionalen Analphabetismus angenommen wird: schwierige soziale Verhältnisse (…) als von Kindern erlebte Unsicherheit, eingeschränkte Erfahrungen im Umgang mit Schrift (…), in der Folge davon ein mangelndes Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten, vor allem was Anforderungen betrifft, wie sie in der Schule gestellt werden, dann besteht die Aufgabe und die Chance von Schule darin, Erfahrungen mit der Schrift anzubahnen, die Fähigkeiten der Kinder herauszufordern und zu bestätigen und sie Sicherheit erleben zu lassen im sozialen Kontext der Schule“ (Dehn, 1996, S. 10).

Entsprechend ist ein Baustein der Projektarbeit, die subjektive Bedeutung von Lesen und Schreiben in den Fokus zu stellen und das Lernumfeld an die kognitiven, motivationalen und emotionalen Strukturen der Schülerinnen und Schüler anzupassen. Für Schülerinnen und Schüler mit besonderen Benachteiligungen im Schriftspracherwerb sind in erster Linie nicht die Strukturprinzipien der Schrift interessant, sondern die Inhalte, die durch die Schrift vermittelt werden (vgl. Nickel 2004). Die Schülerinnen und Schüler sollen in einen Aversions-Neigungs-Konflikt (Kretschmann, 2002) gebracht werden und mit subjektiv bedeutsamen Inhalten zur Schrift gelockt werden, sodass am Ende die Neigung zum Lesen und Schreiben stärker erlebt wird als die Abneigung dagegen. Dies erfordert einen hohen Grad an Individualisierung der Angebote. Zudem ist es zur Schaffung und Aufrechterhaltung der Motivation gerade bei misserfolgsorientierten Kindern und Jugendlichen wichtig, neben dem subjektiven Erfolgsanreiz auch die subjektive Erfolgswahrscheinlichkeit bei der Gestaltung der Lernangebote zu berücksichtigen.

Welche Theorie dem Tool zur Förderung der Lese- und Schreibkompetenz zugrunde liegt, wird von den Autorinnen nicht näher beschrieben.

b) empirische Fundierung

Eine empirische Überprüfung oder Evaluation des Kulturtagebuchs für Jugendliche in der Schriftsprachförderung im Hinblick auf eine Steigerung der schriftsprachlichen Kompetenzen oder der Motivation bei Schülerinnen und Schülern, die mit der Methode gearbeitet haben, liegt bislang nicht vor.

Das Projekt „Text-Checker“, in dem das Tool Kulturtagebuch für Jugendliche in der Schriftsprachförderung an der Friedrich Wilhelm Murnau-Gesamtschule seit dem Schuljahr 2014/15 genutzt wird, wurde im Rahmen einer wissenschaftlichen Begleitung (Laufzeit: 2008 bis 2011) durch die Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaften der Universität Bielefeld auf seine Wirksamkeit hin überprüft. Die Evaluationsergebnisse zeigen für das Gesamtprojekt positive Tendenzen bei der Entwicklung der Lese- und Schreibkompetenz und des Selbstkonzeptes der beteiligten Schülerinnen und Schüler (Möller-Bach, Mundt & Pleiter, 2014). Der Effekt einzelner Tools wurde im Rahmen dieses Projekts jedoch nicht evaluiert.

Alter: 11; 12; 13; 14; 15; 16; 17

Klassenstufe: 5; 6; 7; 8; 9; 10

Verbünde, die dieses Tool nutzen:

Links:

Informationen zum Projekt Text-Checker:
http://ki-bielefeld.de/155-TextChecker [23.02.2021]

Veröffentlichung von M. König zum Selbstkonzept Schriftsprachkompetenzen – Eine Untersuchung im Projekt Text-Checker aus dem Jahr 2010:
http://ki-bielefeld.de/userfiles/mk_maa_fertig_druck.pdf [23.02.2021]

Literaturhinweise

Dehn, M. (1996). Einleitung: Elementare Schriftkultur. In: M. Dehn, P. Hüttis-Graff & N. Kruse (Hrsg.), Elementare Schriftkultur. Schwierige Lernentwicklung und Unterrichtskonzept (S. 8-14). Weinheim & Basel: Beltz.

Kretschmann, R. (2002). Störungen beim Schriftspracherwerb. Ursachen und Prävention aus systemischer und entwicklungsökologischer Sicht. In: H. Bartnitzky, H. Balhorn, I. Buechner & A. Speck-Hamdan (Hrsg.), Sprachliches Handeln in der Grundschule - Schatzkiste Sprache 2 (S. 54-78). Frankfurt: Arbeitskreis Grundschule.

Kretschmann, R. (2007). Auf Umwegen zum Ziel. Motivierende Lese- und Schreibförderung bei älteren Schülerinnen und Schülern. In: A. Grotlüschen & A. Linde (Hrsg.), Literalität, Grundbildung oder Lesekompetenz? (S. 42-47). Münster: Waxmann.

Möller-Bach, C., Mundt, B., & Pleiter, R. (2014). Projekt „Text-Checker“. Lebensweltorientiert Schriftsprache entdecken. In: Friedrich-Jahresheft (S. 95-97). Seelze: Friedrich.

Nickel, S. (2004). Schriftspracherwerb von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen unter massiv erschwerenden Bedingungen. In: G. Thomé (Hrsg.). Lese-Rechtschreibschwierigkeiten (LRS) und Legasthenie. Eine grundlegende Einführung (S. 86-106). Weinheim & Basel: Beltz.

Letzte Änderung am: 23.02.2021

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